Das "Peace-Zeichen" ist von den Teilnehmern/innen nachstellt worden. _ⓒPeter Weishaupt

Friedensregion statt Rüstungsregion

Für eine Region des Friedens statt der Rüstung am Bodensee und ein weltweites Atomwaffenverbot

Annähernd tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem ganzen Bodenseeraum setzten sich beim bereits 31. Bodensee-Friedensweg (früher Ostermarsch) am Ostermontag, 22. April 2019 von Konstanz nach Kreuzlingen für eine grenzüberschreitende Friedensregion ein. Jürgen Grässlin, profilierter deutscher Waffenexportkritiker, bezeichnete die Gegend als „Europas dichteste Rüstungsregion“ und forderte, sie bis 2030 in eine Friedensregion umzuwandeln. Annette Willi, schweizerische Mitgründerin der 2017 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Organisation ICAN,  forderte die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz auf,  den UNO-Vertrages für ein Atomwaffenverbot sofort zu unterzeichnen. Die Berner Friedensaktivistin Louise Schneider argumentierte in ihrer Rede gegen die Finanzierung von Rüstungsfirmen durch Schweizer Banken: «Geld für Waffen tötet!»

Konstanz gehörte zu den über 100 Städten in Deutschlang und Kreuzlingen zu jenen (wie Bern)  in der Schweiz, wo die traditionellen Ostermärsche für den Frieden durchgeführt wurden. Beim Internationalen Bodensee-Friedensweg 2019 zählte man rund 1000 Menschen. In den Jahren zuvor, in Friedrichshafen, Romanshorn oder in Bregenz, waren es um einige weniger. Der 31. grenzüberschreitenden Friedensweg versteht sich in der Tradition der europäischen Ostermärsche. Der Kampf gegen Atomwaffen und das Motto „Von der Rüstungsregion Bodensee zur Friedensregion“ standen im Zentrum der Reden der Demonstration, an der Frauen, Männer und Kinder aus Vorarlberg, aus dem deutschen Bodenseegebiet und eine starke Delegation aus der Schweiz teilgenommen haben.  Um 10.15h bewegte sich ein bunter Zug mit Friedensfahnen und Transparenten, angeführt durch eine Trommlergruppe, durch die Konzilsstadt zum Stadtgarten.

Jürgen Grässlin, profilierter bundesdeutscher Waffenexportgegner und Sprecher der Kampagne Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! war als Hauptredner eingeladen worden. „Der Bodensee ist einmalig – einmalig als Anziehungspunkt für unzählige Touristen, die die Schönheit dieser Naturregion geniessen; einmalig ist die Region aber auch als Produktionsgebiet für Kriegswaffen, die in Krisen- und Kriegsgebiete exportiert werden und auf Jahrzehnte hinaus, ganze Landstriche völlig verwüsten.“ Grässlin spräche von den 18 (!) bedeutenden Rüstungsbetrieben und zahlreichen waffentechnischen Zulieferbetrieben,  die den Raum um den Bodensee zu Europas dichtester Rüstungsregion machen.  Mehr als 7500 Menschen arbeiten direkt in den Waffenschmieden, viele weitere tausend Menschen in Zulieferbetrieben. Mit Kriegswaffen und Rüstungsgütern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich würden Kriege und Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien befeuert. Die Rüstungsfirmen ATM, Diehl, Airbus, MTU, General Dynamics (die 2010 die Kreuzlinger Mowag übernommen hat), produzieren, verkaufen und liefern mit ihren Waffen Tod und Verderben weltweit. Diese ‚Beihilfe‘ zu schweren Menschenrechtsverletzungen müsse ein Ende finden, führte Grässlin aus und rief auf, „den militärisch-industriellen Komplex am Bodensee in acht bis zehn Jahren bis 2030 vollständig in einen friedensindustriellen Komplex“ umzuwandeln.

Auf dem Weg zur Grenze in Richtung Schweiz, bildeten die KundgebungsteilnehmerInnen ein menschliches Peace-Zeichen als Symbol für die Notwendigkeit grenzüberschreitender Friedenszusammenarbeit. Am Hafenplatz in Kreuzlingen sprach – nach einem Picknick mit Linsensuppe bei strahlendstem Osterwetter – Berner Friedensaktivistin Louise Schneider. Als „Spray-Grosi“ hatte Friedensaktivistin 2017 anlässlich der Schweizer Volksinitiative gegen die Finanzierung von Rüstungsfirmen durch Schweizer Banken, deren Gebäude mit Sprüchen und Parolen besprayt. Ihr feuriges Plädoyer für nachhaltiges Friedensengagement war ebenso beeindruckend, wie ihre Forderung, das milliardenschwere schweizerische Projekt des Ankaufs neuer Kamppflugzeuge. Man müsse es ebenso „versenken, wie seinerzeit die Beschaffung von schwedischen Gripen-Kampfjets“. 

Annette Willi, Mitgründerin von ICAN (Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen), rief  Deutschland und die Schweiz eindringlich dazu auf, den 2017 von der UNO verabschiedeten Atomwaffenverbotsvertrag endlich zu unterzeichnen, wie dies schon Österreich getan hat. Der Vertrag verbietet Atomwaffen vollumfänglich und sei ein klares Zeichen, dass die Mehrheit der Welt Atomwaffen nicht mehr akzeptiere und sie nicht mehr als legitime Kriegsinstrumente ansehe. Österreich wurde gelobt, das im September 2017 – trotz der politischen Ausrichtung der Regierung – den Vertrag bei der ersten Gelegenheit unterzeichnet und schon vor einem Jahr ratifiziert habe. Demgegenüber dulde die deutsche Regierung „die Stationierung von US-Atomwaffen“ und sei so direkt an der weltweiten Aufrüstungsspirale aktiv beteiligt. Völlig unverständlich ist für Willi die Weigerung des Schweizer Bundesrates, der Aufforderung des Parlamentes nachzukommen, den Vertrag zu ratifizieren. Ebenso kritisierte sie die Aufkündigung des INF-Vertrages zur Begrenzung von Mittelstreckenraketen, der ein wichtiges Element der europäischen Sicherheitsarchitektur sei und unbedingt erhalten bleiben müsse. „ICAN ruft daher Russland auf, glaubwürdige Beweise und Unterlagen zu liefern, um die Anschuldigung einer Vertragsverletzung zu widerlegen, und fordert von den USA, dass Beweise für ihre Anschuldigung zu veröffentlichen und Verifikationsmassnahmen zustimmen.“

Zum Internationalen Bodensee-Friedensweg 2019 hatten rund 100 Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in der Friedens-, Flüchtlings- und internationalen Zusammenarbeit engagiert sind, aufgerufen. Vorbereitet wird er durch eine «Spurgruppe» unter der Leitung von Lilo Rademacher aus Friedrichshafen BRD. Der internationale Bodensee-Friedensweg sieht sich in der Tradition der europäischen Ostermärsche, die von der pazifistischen Anti-Atombewegung im England der 1960er-Jahre ausgingen. Den Bodensee-Friedensweg gibt es seit Mitte der 1980er-Jahre mit einigen Unterbrechungen bis heute. Er findet jedes Jahr in einer anderen Stadt am Bodensee statt. Konstanz und Kreuzlingen waren schon mehrfach Gastgeberstädte.

Text Peter Weishaupt für IBFW, leicht verändert von WLB.
Für Rückfragen: Peter Weishaupt, Schweizerischer Friedensrat, Tel. 078 693 10 85 oder info@friedensrat.ch. Unter dieser Adresse sind auch, falls gewünscht, weitere Fotos vom Friedensweg erhältlich.