Es ist nicht gut bestellt um unsere Welt: „Der gegenwärtige verschwenderische, naturzerstörende Lebensstil in den entwickelten Industriegesellschaften geht unweigerlich seinem Ende entgegen.“ (9) Das ist nun keine umwerfende Neuigkeit für unsere Tage. Wir werden mit Katastrophen und deren Ankündigungen täglich ‚upgedatet’, ob man will oder nicht. An apokalyptische Zustände gewöhnt, abgehärtet durch Appelle und Mahnungen, erreicht die Forderung nach Umkehr und – damit es jeder versteht – nach „Change“ nur wenige. Der Heidelberger Pädagogikprofessor Thomas Vogel weiß das auch, stellt sich aber – ruhig, gelassen, bedachtsam, seiner selbst, seinen Erfahrungen und seiner Botschaft gewiß – in eine lange (und illustre) von Philosophen, Theologen, Künstlern und Weisen aller Art, denen Hiobsbotschaften weniger Anlass zur Verzweiflung als vielmehr Beweggrund für vertieftes Nachdenken, Suchen nach Wegen zum vielbeschworenen ‚guten Leben‘ werden.
Das Buch trägt den Titel: „Mäßigung“ und – wie um die Patina (vulgo: Staub der Jahre) des Begriffes noch hervorzuheben – geht es um eine „alte Tugend“ und was wir von ihr „lernen können“. können“. Wörter wie Mäßigung, Maßhalten oder das ‚rechte Maß’ aber auch ‚Tugend‘ (da braucht man ‚alt‘ gar nicht mehr dazu schreiben, oder?) oder gar Askese und – naja, ‚Lernen‘ geht ja noch – sind nicht so anziehungskräftig. Auch wer die religiös-christliche Tradition noch ein wenig erinnert, kann wenig und will eigentlich nichts damit anfangen.
Wache Zeitgenossen/innen wissen und erfahren aber auch, dass eine Idee, deren Zeit gekommen ist, nicht aufzuhalten ist, gleich wann sie geboren wurde. Vielleicht, gehört ja die Tugend der Mäßigung – eine Kardinalstugend (!) – zu jenen verworfenen Steinen, deren Zeit als Eckstein nun gekommen ist? „Ohne Mäßigung im Sinne eines rechtes Maßes im Verhältnis zur Natur wird es der Menschheit kaum gelingen, ihre Lebensgrundlagen zu erhalten.“ Also: Mäßigung – ein Mittel zum Zweck der Rettung der Welt? Warum eigentlich nicht einen Ansatz, „seit Jahrtausenden als philosophische Einsicht auf dem Weg zu Zufriedenheit und Glück“ (188) das ist, aufnehmen? Man sieht ja schon das ‚gute Leben’ winken, oder?!
Es ist so, dass mit jeder Seite an philosophischen Reflexionen und anregenden Geschichten, die Neugier, die Lust und – ja (!) eine spürbare Freude am Thema wächst. Das Buch hat der Pädagoge 2018 geschrieben, also 50 Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome); auch der erste „Big Mac“ – Symbol für bedenkenlosen Konsum ging 1968 über den Tresen. Und: „„Plutôt la vie!“ Skandierten die jungen 68er damals in Paris, also: „Lieber das Leben!“
Thomas Vogel hat ein interessantes und wichtiges Buch geschrieben. Er führt – immer im rechten Maß – vor Augen, dass wir nicht unbedingt klüger sind als unsere Vorgänger/innen, aber den Vorteil nutzen sollten, aus ihren Erfahrungen zu lernen.
Bibliographische Angaben:
Thomas Vogel, Mäßigung. Was wir von einer alten Tugend lernen können. München (oekom Verlag) 2018. 192 Seiten. € 17,00. ISBN 978-3-96238-065-6.