Tag 04: Wo stehen wir eigentlich genau?

Tag 04 – 3. November 2021

– Es regnet nicht, ist ziemlich kalt und bewölkt, kein Sonnenstrahl fällt auf die Landkarte, um die wir uns heute versammeln. Der Kreis wird zum Oval, bestimmt durch die formale Vorgabe des Symbols. Es riecht nach Schnee, der Winter liegt in der Luft. Bei den Vorbereitungen bekomme ich Hilfe von Jonas. Er hilft mir, die inzwischen zwei A-Ständer und die IFOR-Fahne (Versöhnungsbund) und das kleine Transparent des Naturschutzbundes  Am Ende zähle ich 15 Personen im Oval, das die Welt umschließt.

Heute haben wir die Erde in die Mitte genommen. Das war für Christoph wichtig. Das Erde-Bild, bunte Zierde auf dem schwarzen Asphalt,  ist für ihn  Symbol, also weit mehr als ein Bild auf dem Boden. Es wäre interessant, in einem Gesprächskreis nachzudenken, welche Bildern des Alltags – ein/e jede/r für sich – und bei sich zu Symbolen werden lässt. Ein Symbol greift tief ins Leben ein, deshalb ist durchaus Vorsicht geboten – besser vielleicht: Klugheit – im Umgang mit Bildern. „Die Erde in die Mitte nehmen“ – das hat etwas bewegendes, die Worte scheinen ins Innere zu gleiten, der Satz kann ein Gefühl wach werden lassen, das im schweigenden Zulassen und Annehmen eine gute Kraft entfaltet.  Hölderlins (1770-1843) Gedichtzeile fällt mir ein: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch..“

„Was halten Sie vom Schweigekreis?“ – Die ORF-Reporterin befragt Passantinnen und Passanten.

Nach der Stippvisite des ORF-Fernsehens (am Allerheiligentag) war heute Verena Längle, die für ORF-Radio arbeitet. Sie war auf „Stimmenfang“, suchte Wortspenden aller Art, fragte zuerst die Passantinnen und Passanten und dann einige, die im Kreis gestanden sind. Ihre Frage an mich: „Was erwartest Du von Glasgow? – Erst jetzt, beim Schreiben, fällt mir ein: „Das Hölderlin-Zitat hättest Du sagen sollen …“. In Glasgow ist die Gefahr ganz zentral. In tausend Bildern dominiert sie die gesamte Kommunikation. Zahlen, Tabellen, Daten und Fakten ‚führen sie uns vor Augen‘, dass wir fast erblinden, von den Versäumnisse, den Fehlern, den Schlichen, Täuschungen, Betrügereien gar nicht zu reden – sie tun das Ihre um Schuldgefühle und Angst zu provozieren. Ratgeber/innen, denen man besser aus dem Weg geht. Die Gefahr ist zum Greifen nahe … über sie wissen Viele fast alles …

Wenn Hölderlins Gedanke nur einen Deut Realität und Wahrheit meint, wäre es wohl nicht ganz unwichtig – neben der expliziten Darstellung der Bedrohung mindestens ebensoviele Aufmerksamkeit, Kraft und Energie für das Suchen, Finden und die Darstellung dessen, was uns rettet!? Selbst „unsere“ Greta, die so viel in Richtung Aufmerksamkeit für das Rettende, bewegt hat, beschwört in ihren unvergleichlichen Schimpfkanonaden die NOT eher als das NOT-WENDENDE. Das gibt ihrer Sache – die ganz und gar auch unsere sein muss – einen entscheidenen ‚Spin‘, das ist gut, das ist wichtig … „Aber“ zu sagen, bedeutet, dieselbe Sache auf andere Weise in den Blick zu nehmen, also … ABER: Die Wahrnehmung, das Suchen und Erkennen dessen, was IN der Gefahr, genau darIN nämlich, heranwächst – das RETTENDE eben – sollte, muss, kann, darf und wird (sagt die Hoffnung) – ihren Raum beanspruchen und sich entfalten. Der Schweigekreis bedeutet AUCH, eine Spur zu legen, die zur Bestimmung des eigenen Standortes führt: Inmitten der Gefahr, wo das Rettende auch ist – im Grunde eine alltägliche Erfahrung, oder?