©wlb2017, Nikolaus in Eile Bregenz, Rathausstrasse)

Meine Güte, der Nikolaus!

Ich kann mir nicht helfen, seit rund 68 gehöre ich zu seinen Anhängern. Bis dato habe ich meine Zuneigung im Stillen gepflegt. Aber heute habe ich dieses Gedicht (es sind drei Haiku) hervorgeholt, mir einen beinahbiologischen Bümmel geholt, ordentlich Butter drauf getan, die Milch in den Kaffee, ins Arbeitszimmer geswitcht, hingesetzt, die Finger auf die Tastatur (asdf-jklö, wie es uns das Fräulein Hohenwasser beigebracht hat) und hab‘ mich kurz erinnert. – Meine Güte, der Nikolaus! Ein Outing!

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Da war eine Masse von Schnee, sicher einen halben Meter hoch und ich stand auf einer umgekehrten Kiste hinter einem Stakketenzaun, gleich neben dem Eingangstürle zum Haus, wir im 1. Stock unsere Wohnung hatten. Im Erdgeschoss lebten Oma und Opa. Ich schaue mir zu, wie ich die Strasse, die Freudenau in Rankweil, in Richtung Holzplatz schaute. Angespannt, bisschen ungeduldig, ein wenig Angst und viel, viel als Erwartung getarnte Freude. Leichter Schneefall, aber dichter Flockentanz. Mein kleines Herz pocht im Hals. Von da oben soll er kommen, hat der Großpapa gesagt, mit einem Schlitten, von zwei Pferden gezogen, die Schellen hörst du von Weitem, hatte Großpapa gesagt: „Woascht – Walterle, der Klos isch‘ koan Kloos, des isch da Nikolaus“ er nimmt einen Lungenzug, die Spitze seiner „Dreier“ (filterlose Zigarette namens Austria3) glüht wie ein Würmchen und redet weiter, während der Zigarettenrauch aus Nase und Mund strömt: „… dr‘ Nikolaus isch an guata Ma, wischt, an Heiliga isch’es …“. 

2_
Und dann klingelten die Schellen vom Holzplatz her und das vom neuen Schnee auf der Straße gedämpfte Getrappel der Pferde. Der Schlitten glitt elegant, geräuschlos, als ob er flöge, dem wartenden Walterle entgegen. Die beiden Pferde, blondgemähnte Haflinger vielleicht, dampften in der Kälte des frühen Abends. Mir aber war warm ums Herz geworden. Im Schneegestöber sah ich einen großen Mann, aufrecht stehend im Schlitten, in seiner Linken hielt er einen wunderbar goldenen Stab, gerade so lang, wie er bis zur Spitze der eigenartigen Mütze, groß war. Ein Glitzerwunder, eine noch nie gesehene Kopfbedeckung, rotglänzend wie Seide und an ihren Rändern trug sie goldene Borten. Irgendwie, nach oben hin, war sie im oberen Teil dreikantig zugespitzt aber offen, sodass sich die dorthin verirrten, weissen Schneeflöccken auf den brokatenen Verzierungen halten konnten. Das Kopfding geht ja nicht einmal über die Ohren – meine Güte, der Nikolaus…

3_
Dieses Bild vom rot-goldenen, großen, weißbärtigen Mann ging mir durch und durch, erfasste das Kinderherz mit sanftestem Staunen und pflanzte die Empfindung von überströmender Güte und grenzenlos-freundlicher Zuneigung – und all das in einem bisher gänzlich unbekannten, namenlosen Gefühl, für das der kleine Mann in seiner Hingerissenheit, einfach keine Worte hatte. Ich bestand im Augenblick aus zwei geweiteten Augen und zwei viel zu kurzen Händen, die überhaupt nicht lange genug waren, um diese leuchtende Gestalt zu berühren; aus zwei mit hellstem Geklingel erfüllte Ohren, einem offenen Mund, aus dem der Atemnebel flog; und aus einer nie gekannten, tiefstillen Freude, die mich nach innen wäre, wie der Kachelofen in der Stube vom Opa.
In seiner Linken hielt der Heilige diesen Stab, der am oberen Ende wie ein offener Kreis gebogen war, aber auch an den Haken erinnerte, mit dem der Opa die Äste mit den reifen Äpfeln zu sich heranzog. Und mit seiner rechten Hand, tat er eine langsam, wie feierlich wiederkehrende Bewegung von oben nach unten und dann halb zurück und dann nach links und rechts. Und er sah mich an, Er meinte mich, da, hinter dem Zaun stehe ich – und fühle, wie sein Leuchten bei mir ist. 

4_
Der kleine Mann verstand nichts von alledem. Mit geweiteten Augen und ausgestreckten Armen aber, spürte er Bedeutsames, Ergreifendes, fühlte sich wie in einem guten Strom, der an ihm zog vorbeiwehte, ihn ein wenig mitzog, in den dunklen Abend hinein. Ein unnennbarer Hauch durchzog das Kind und ich war froh, die schwere Hand des Großvaters in meinem Rücken zu spüren. Von der müden Straßenlampe, deren Lichtkreis der Schlitten querte, fiel ein matter Schein durch die Flocken, folgte dem Schlitten und wärmte den Rücken von Knecht Rupprecht und seinem Sack, warf einen schalen Glanz auf das kohlschwarze Fell eines Gehörnten, der mühselig, bucklig, murrend und grummelnd, mit einer Eisenkette klirrte – aber gegen das helle Klangspiel der Schellen kam er nicht an. Das Straßenlicht erhellte dann noch kurz, wie gnädigerweise, die breite, schön fallende und mit silbernen Kordeln verzierte Kapuze im Rücken des Heiligen, bis es ganz oben ankam, dort, wo die Spitzen der so einprägsam eigenartig geschnittenen Kopfbedeckung des Heiligen den Himmel berührt hätten.

5_
Der aber war hinter der Schneeflockenwand mit dem nebeligen Dunkel verschmolzen und kaum zu sehen, doch in den Borten des dreieckigen Hutgebildes verfing sich ein Schein, ließ von den Borten kleine gelbe Blitze aufstrahlen und verlor sich dann im Dunkel, wie der Klang der Schellen darin aufging und der Schlitten mit dem Leuchtenden darin. Der hellwache, kleine Menschen hinter dem Zaun konnte noch zwei Gestalten sehen, sie standen auf einem schmalen Brett, hinten auf dem Schlitten, wo sie stehen mußten solange, bis der Heilige sich auf der samtbezogenen Sitzbank, wo Decken bereit lagen, die aber sicher nicht für die Beiden bestimmt waren … aber das, soviel war dem Kind im Vorübergang des Leuchtenden aufgegangen, vorgekommen und geschenkt worden – das wäre eine andere Geschichte …

6_
Ja, das ist jetzt an die 68 Jahre her, genauer: eine und eine halbe Ewigkeit – und heute, Leute, mache ich mein Outing als bedingungsloser Nikolausfreund, ich betone: Freund! Ich kann ihn nicht verehren, dann wäre es, als ob er tot wäre. Mit den Verehrern meines Freundes, hab‘ ich es nicht so … sie verfahren mit ihm, wie mit einem Toten – vielleicht weil sie nicht anders können, vielleicht aber auch, weil Tote sich nicht mehr wehren können gegen die Liebe, die sie ihm nachtragen. Aber soweit reicht die – naja, sagen wir lieber: meine – Liebe nicht. Sie bescheidet sich mit einer Art Treue zu ihm und zu mir selber. In dieser Art von Freundschaft, weiß ich mich behütet und bestärkt im Aufrechtbleiben, klar, so gut es geht. Wir beide, und die geneigten Leser/innen wohl auch, wissen, es gibt Kräfte, die uns niederknien oder gar niedermachen wollen – davon weiß mein alter Freund so manches Lied zu singen! Und so helfen wir uns gegenseitig, semper et ubique – wie damals auf der berühmten SMART-Zigaretten-Packung zu lesen war. Wie das geht? Keine Ahnung, ehrlich – aber es funktioniert schon an die 68 Jahre. In diesem Sinne … ein glänzend-fröhliches ‚Nikolaus-Santa Claus-Samichlaus-u.a.m‘- Memorial erster Klasse – mit am’a ghöriga Bümmel, eh klar! _