Einen Buchtitel wie diesen, inklusive des wie ein erleichterndes Gegengewicht anmutenden Untertitels, kann man bei allem Respekt für verlegerisches Marketing einfach nicht erfinden.
Das Gefühl – dass man solche Titel wohl nicht erfindet – hat mich beim Einlesen über die Themen Kirchenrecht, Kirchenverfassung, demokratisierte Kirche beschlichen; es intensivierte sich bis bis zur Frage: „Wäre eine Wiedergeburt der Kirche aus dem Geist des freiheitlichen Verfassungsstaates nicht ein lohnendes Experiment?“ auf (Seite 35) und klärte sich dann über den Aufruf (Seite 58): „Mehr Revolution wagen“; dann zu Beginn des letzten Drittels (Seite 115) wird klar, dass es sich nicht um ein kreatives Produkt des verlegerischen Marketings, sondern um den (wörtlich zitierten) Diskussionsbeitrag einer Frau im „Talk bei Maischberger“ handelt.
„Gemeint sind (mit ‚IHR‘) Bischöfe, die mit ihrer Machtfülle im politischen Sinne als Souverän der Kirche zu bezeichnen wären, sich aber offenbar nicht in der Lage sehen, diese Kirche verantwortungsvoll zu reformieren, sodass Gläubige in einer Verzweiflungshoffnung auf den Papst setzen müssen.“ (115). „Genau so ist es“ werden viele sagen und viele andere das Gegenteil: „Was für ein Schwachsinn!“ – womit sie nolens volens das Spektrum anzeigen, in dem sich katholische Christinnen und Christen sei vielen Jahrzehnten wiederfinden: Es gibt keine ‚organische Verbindung mehr zwischen der Leitungsstruktur und der „eigentlichen Erfahrungsebene“ der Menschen. (ebd.)
„Gerade in der Kirche“ schreibt Bogner, aktuell Professor für Moraltheologie an der Universität im schweizerischen Freiburg, „gibt es oft eine ‚Kuschelsprache‘, die Kritik nicht akzeptieren will“ im Klappentext des Buches. Dessen Sprache hat damit nichts zu tun. Der verheiratete Vater dreier Kinder ist Theologe, Philosoph und Politologe, schreibt wohltuend direkt und klar, bleibt bei der Sache, ist nie verletzend. Aber er segelt ‚hart am Wind‘: die „verheerenden“ Folgen der Handlungsunfähigkeit der Kirchenleitung(en), die absolutistisch-monarchischen Strukturen, losgelöst von der konkreten gesellschaftlichen Lebenssituation der Leute und „immer wieder die Frauenfrage“ bewegen ihn, seiner Sicht der Dinge im seit Jahren aufreibenden Kirchenkampf zwischen ‚Reform‘ und ‚Erneuerung‘ Stimme zu verleihen.
Wie Bogner Flagge zeigt und mit seinem Denken signalisiert, ist ermutigend. Es geht in Richtung einer „katholischen Identität auf der Höhe der Zeit“ (151). Einen (wenn nicht den) Fokus sieht er hier: der „eigenen Beobachtung nachzugehen“ und entdecken, welcher eigenartigen Logik Kirchenveränderung zu folgen scheint (120). So kommt es, trotz (oder wegen) der unverhohlen-kompakten Kritik am gegenwärtig praktizierten Kirchenmodell, zur guten Nachricht, dass diese „nicht in der Sackgasse enden (muss)“. Oder anders kontextualsiert: „Der Mist von heute, ist der Dünger von morgen!“. Das Wunder der ‚Wandlung‘ mag im Geheimnis des Glaubens bewahrt sein – das ist gut so! Unumgänglich, ja verpflichtend sogar, scheint es nach der Lektüre der ca. 160 Seiten, den „Mist“ hingebungsvoll zu analysieren.
Wer sich darauf einlassen will und kann – der/dem wird die Lektüre von Daniel Bogners Buch viel Freude bereiten! (wb)