Das jüngste Buch des Schweizer Publizisten Lorenz Marti trägt den Titel „Türen auf!“ und der Untertitel sagt: „Spiritualität für freie Geister“. Die Katholischen unter den Leserinnen und Lesern assoziieren fällt sicher der Konzilspapst Johannes XXIII. ein, der zu Beginn des 2. Vatikanischen Konzils aufrief, die Fenster der Kirche zu öffnen, um frischen Wind herein zu lassen.
Ein Interview im Schweizer Radio brachte mich auf die Spur dieses Buches. Es ging um das Thema Spiritualität. Die Fragen klangen fast wie meine eigenen. Und die Antworten, einfach und klar, kompetent, humorvoll und irgendwie gelassen, rührten etwas in mir an. Das Buch mußte her. In solch dringenden Fällen hilft die ARCHE.
Lorenz Marti (Jg. 1952, nebenbei, Sohn des berühmten Berner Dichterpfarrers Kurt Marti), früher Journalist beim Schweizer Radio (Schwerpunkte: Religion, Wissenschaft), „wagt den Versuch“ dem Thema Spiritualität „sowohl mit und ohne Religion“ – beides wird bedachtsam und nicht ohne literarische Eleganz in Betracht gezogen – nahe und nach zu kommen. Aus den zahllosen ‚Triggern“ zum Thema, sind diese mit Bedacht gewählt: Aufbruch, Freiheit, Sinn,Vertrauen, Verbundenheit, Gelassenheit, Wahrheit, Offenheit und Zuversicht. Diese 9 Kapitel(überschriften) gliedern die folgenden 45 kleinen Essays, deren jeder ausgesprochen charmant, realistisch lebensnah entgegen kommt und mit dem seltenen Glanz des Überraschend-Erhellenden versehen ist.
Nur wer klar denkt, kann klar schreiben und „es geht nicht ohne die anderen“ schreibt Marti, „ich entfalte meine Gedanken im Dialog“. An erster Stelle ist seine Frau Corina genannt, Freunde/innen natürlich (zwar ohne Namen), dann kommen 39 Geistesverwandte von A wie Arendt (Hannah) bis W wie Wittgenstein. Was sagt uns der Sachverhalt, dass Marti’s Liste 12mal mehr Männer als Frauen zählt? Neben der genannten Dame, möchte ich hier noch die anderen beiden nennen: Gertrude Stein und Mascha Kaléko! Der maskuline Überhang hat mich erstaunt, denn spontanerweise hätte ich ihn in der Frage nach der Gestalt einer Spiritualität für das 3. Jahrtausend nach Christus den Frauen zugesprochen. Man liest und spürt aber auf jeder Seite, da kennt sich einer aus in den philosophischen, theo-, neuro- und psychologischen aber auch spirituell-mystischen Traditionen der wissenschaftlichen und religiösen Welt.
Marti steht klar und kritisch-produktiv, in einer Art fruchtbar differenzierenden Ambivalenz, zu seiner eigenen, religiösen, konfessionellen Bindung als reformierter Christ. Das schafft ein wohltuendes Klima auf diesen Seiten. Er weiss aber auch – ebenso sachkundig wie unaufdringlich – von Wegen und Möglichkeiten zu einer freien, offenen, selbstbestimmten, lebens- und menschenfreundlichen Spiritualität zu erzählen. Sein Denken öffnet die Tür für das Wehen eines heilsamen Geistes und seine Gedankengänge können auch als „Mutmacher“ (immerhin: 45 an der Zahl) zum Gebrauch des eigenen Verstandes bzw. der persönlichen Freiheit gelesen werden. Daher mein Mut zu einer Empfehlung in aller Gelassenheit: Gönnen Sie sich dieses Buch!
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Lorenz Marti, Türen auf! Spiritualität für freie Geister.
Freiburg (Herder Verlag) 2019. ISBN (Print) 978-3-451-38941-2. € 18,60
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