Das Reich Gottes ist angebrochen, mitten in dieser Welt und für Jürgen Schäfer kommt noch dazu, dass es Heute, im Hier und Jetzt, gegenwärtig ist. Das ist der Anker-Gedanke im jüngsten (und ersten) Buch des ehemaligen evangelischen Pfarrers und jetzigen Seelsorgers im Bonetti-Haus in Dornbirn. Das bedeutet auch, dass der Entwurf (s)einer „Spiritualität der Gegenwart“ in der Tradition des Christentums wurzelt, dessen spirituelle Dynamik der Autor stets kritisch – zu Gunsten von Freiheit, Selbstbestimmung und eigenem Verstandesgebrauch – wertschätzend vergegenwärtigt, sprich: „gelebt“ – nicht nur sehen, sondern erleben und erfahren möchte, „was ich für die tiefste Sehnsucht von uns allen halte: Lieben zu können und geliebt zu werden.
Die „Bildersprache“ des Buches (Cornelia Hefel zeichnet für die schönen Fotos verantwortlich) ist vielsagend. Ob sich in der (Klein)Familie – ein junges Paar mit Kind – möglicherweise ein gesellschaftlich-politischer Horizont andeutet? Aber in Form und Inhalt klingt das Thema des Paradieses – als gesuchtes aber auch als verlorenes – an. Aber unzweifelhaft ist, dass es um einen weiteren, breiteren und tieferen Begriff von ‚Schöpfung‘ geht. Sie ist der ersehnte Ort des Bleibens und des erstrebenswerten ‚Seins in der Liebe‘ ebenso wie jener Ort, an dem alles Sehnen und Streben erfüllt ist in der Gegenwärtigkeit lebendigen Glaubens.
Auch wenn der Begriff „Politik“ nur ein Mal (S. 14) vorkommt, darf man sich die „Spiritualität der Gegenwart“ nicht unpolitisch vorstellen. In „I love Bahnhofrestaurant“ (26) wird das deutlich. Der Text erinnert an Gedichte von Jacques Prévert, deren Tristesse immer auch erhellende, erquickende Licht-Blicke kennt. Die sieben Kapitel des Buches enthalten je 12 Texte, die poetisch, prosaisch, hie und da (ausgedehnt) meditierend, intensiv betrachtend, nach innen gekehrt beschreibend, bis hin zu verdichteten, fast lyrischen Miniaturen immer wieder vom WEG erzählen und von Szenen und Ereignissen, Momenten und Blicken, Berührungen und Begegnungen, fragende Einsichten und sehr leise Antworten, die ihre ureigenste Frage nie verleugnen.
Es ist unwegsames Terrain, das da – nicht immer aber oft – entlang der Grenzen von Glaube, Hoffnung und Liebe bzw. persönlicher Lebenswirklichkeiten erkundet wird. Wo kommen wir hin, wenn fadenscheinig gewordene Orthodoxie, klerikalistische Verhärtung und frühere Gewissheiten nicht mehr tragen? Birgt die Lebensrealität Spuren der neuen, zukünftigen Welt? „Der Mensch ist geworfen nur für eine kurze Zeit auf diese Erde. / Wer mag da von Liebe sprechen? Das Meer hat größere Antworten.“Ein guter Anfang für ein langes Gespräch – mit Buch, Autor und zahlreichen Lesern! (wb)
Bibliographie:
Jürgen Schäfer, In der Liebe sein. Eine Spiritualität der Gegenwart. Landeck (Verlag EYE – Literatur der Wenigerheiten) Landeck, 2018. ISBN 3-901735-30-5.