Anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung des Internationalen Versöhnungsbundes (IFOR = International Fellowship of Reconciliation) am 31. Juli 1914 in Konstanz/D am Bodensee.
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In den Augusttagen 1914 fieberten die Nationen Europas ihrem großen, ersten Krieg entgegen. Die Politik hatte nichts ausgelassen, um ihn vorzubereiten. Aus Pflugscharen wurden Kanonen geschmiedet und Menschen – zu Soldaten gemacht – waren deren Futter. Für Gott, das Vaterland und den Kaiser (oder König) lohne es sich zu sterben war die Devise. Selbst die geistliche Macht der Bischöfe und Priester stellte sich in den Dienst der Kriegsfurie und segnete die Waffen wie die opfer- und gewaltbereiten Krieger. Kriegserklärungen waren ein Grund zum Jubel, in dem das flackernde Menetekel des Krieges an der Wand der Zeit bedeutungslos schien.
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Zur selben Zeit tagte in Konstanz am Bodensee eine internationale Konferenz von Christen verschiedener Konfessionen. Sie waren überzeugt, dass Krieg zutiefst und zuinnerst dem Geist Jesu Christi zuwider steht. Der Kriegsausbruch erzwang zwar den Abbruch des Treffens, doch ein Same des Friedens war gelegt. Henry Hodgkin, ein britischer Quäker und der deutsche Lutheraner Friedrich Siegmund-Schulze besiegelten per Handschlag, im kommenden Krieg nicht gegeneinander zu kämpfen und so der Friedensbotschaft Christi treu zu bleiben. Das gilt als die Geburtsstunde des Internationalen Versöhnungsbundes. Man schrieb den 3. Juli 1914. Am Tag darauf erklärte England Deutschland den Krieg. Die Wiege des „Babys“ stand 1915 in England und den USA. Die Zweige aus 10 Ländern schlossen sich 1919 zum Internationalen Versöhnungsbund zusammen. – Inmitten des Kriegstaumels jener Tage – eigenartige Synchronizität (!) – findet sich auch der Auftakt zu den ersten „100 Jahre(n) für Gewaltfreiheit“ (1).
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Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit geschieht – damals wie heute – auf der Basis einer persönlichen – humanistisch und/oder spirituell begründeten – Entscheidung für den Weg aktiver Gewaltfreiheit. Diese Grundhaltung wird vom IVB durch (Aus)Bildung in Praxis und Theorie vermittelt. Nahe an den alltäglichen Konflikten, zielt diese kontinuierliche Arbeit darauf ab, Menschen für den Weg der Friedfertigkeit stark zu machen. Nicht „mit den Wölfen zu heulen“ sondern die eigene Stimme zu finden, ihr zu vertrauen und sie zu erheben, das meint, sich im pro-aktiven Widerstehen zu üben: Für eine aktive, gewaltfreie Friedenspolitik in Österreich; für die Abschaffung des Bundesheeres (fast 3000 Österreicher/innen haben die IVB Petition unterstützt); für ein Verbot von Nuklearwaffen, für Abrüstung, gegen Waffenhandel. Die Begleitung gewaltfreier Aktionen und Initiativen in Kolumbien oder Israel/Palästina, wo Menschen nur mit den „Waffen des Geistes“ um gerechte Lösungen oder ihre Menschenrechte kämpfen. In den Ländern Ex-Jugoslawiens begleiten wir langwierige, schwierige und schmerzliche Prozesse der Versöhnungsarbeit. Kooperationen und Projektpartnerschaften mit anderen NGOs gehören zum ‚Alltag‘.
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Die entscheidende, lebendige Mitte des Engagements im IVB, liegt im Glauben, „dass der Gewaltlosigkeit und der Versöhnung der Kulturen die Zukunft gehört.“ In völliger Übereinstimmung mit einer „Wolke der Zeugen“ (Hebr 12,1) aus seiner Tradition – Bertha von Suttner, Mahatma Ghandi, M. L. King, Mairead Corrigan-Maguire, Adolfo Pérez-Esquivel, Jean und Hildegard Goss-Mayr um nur einige wenige zu nennen – sucht der IVB diesem Erbe in Tat, Wort und Wahrheit zu entsprechen. „Wir müssen den Weg der Gewaltlosigkeit gehen lernen“ und „für einen Aufstand der Friedfertigkeit“ bereit sein. (…) Es ist eine Botschaft der Hoffnung, dass die Gesellschaften unserer Zeit Konflikte durch gegenseitiges Verständnis in wachsamer Geduld werden lösen können – auf der Grundlage unabdingbarer Rechte, deren Verletzung, von welcher Seite auch immer, unsere Empörung auslösen muss.“ (2)
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(1) Motto des Grundungsjubiläums vom 1. bis 3. August 2014 in Konstanz am Bodensee.
(2) zit. nach: Stéphane Hessel, Empört Euch! Berlin (Ullstein) 2011. 8. Aufl., S. 18ff.