Eine Frau – nämlich Madame Anne Soupa – hat sich als Kandidatin für die Besetzung des vakanten Bischofsitzes in der Erzdiözese Lyon vorgeschlagen. Ein origineller und kraftvoller Akt des Protestes, ein symbolischer Vorstoß, diesmal aus der französischen Kirche, in Sachen ‚Frau in der Kirche‘. Von Walter L. Buder.
Ein origineller Ansatz – Die 73-jährige Juristin und Theologin Anne Soupa ist eine renommierte Bibelwissenschaftlerin, hat rund ein Dutzend Bücher veröffentlicht, arbeitet als Journalistin und steht seit Jahrzehnten sie in der ersten Reihe kirchlicher Aktivistinnen, die sich fair, gewaltfrei und mit unerschütterlicher Geduld, für die Stärkung der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche einsetzen. Die standfeste Katholikin ist Mitbegründerin der „Katholischen Konferenz französischsprachiger Getaufter“ (CCBF) und landete mit ihrer Bewerbung um den Lyoner Bischofsitz einen kommunikativen „Coup“. Während man rechts der kirchlichen Mitte eher schockiert bis gehässig reagierte, klang es aus der vernünftigen Mitte so: “… es hat mich nicht erschreckt, im Gegenteil: Ich mußte lächeln und dachte, was für ein origineller Ansatz!“ so der der belgische Jesuit und Soziologe Charles Delhez SJ.
Post für den Nuntius – Am 25. Mai 2020 bekommt die päpstliche Nuntiatur in Paris Post von der Vorsitzenden des „Comité de la jupe“ (Komitee der Röcke) bekommen. Soupa hatte es mit anderen Frauen 2008 ins Leben gerufen als ‚Antwort‘ auf einen Sager des Pariser Karindal-Erzbischofs André Vingt-Trois, der im RCF (christliches Radio) verlautet hatte: „Das Schwierigste ist, ausgebildete Frauen zu haben. Entscheidend ist nicht der Rock, sondern dass man etwas im Kopf hat.“ Das könnte er jetzt in Anne Soupas Bewerbungsbrief (1) an den Nuntius, in dem sie neben Lebenslauf und Qualifikationsnachweisen ausführlich ihren Wunsch darlegt und in der Sache begründete, in Zukunft die Erdiözese Lyon zu leiten.
Das Unmögliche ermöglichen – Im ersten Satz der Bewerbungserklärung stellt sie fest, dass im Jahr 2020 in der katholischen Kirche „keine Diözese von einer Frau geleitet werde, keine Frau Priesterin sei, es keine Diakonin gebe und bei synodalen Entscheidungen habe die Frau keine Stimme“. Doch Anne Soupa ist realistisch:_„Ich weiss, dass das nicht durchgehen wird – aber ich möchte die Vorstellung ermöglichen, dass eine Frau Erzbischof wird – ohne dass es als Witz ankommt“ _. Die Autorin von rund einem Dutzend Büchern, hofft mit ihrem Vorstoß auch _“die Art und Weise zu bekämpfen, wie Frauen in der katholischen Kirche unsichtbar bleiben“_. Wie die Dinge liegen, scheint das Unmögliche zu fordern, wohl ein guter Weg, das Mögliche wirklich werden zu lassen.
Bewusstsein wecken und schärfen – Die Erzdiözese Lyon ist einer der bedeutendsten Bischofsitze in Frankreich, normalerweise von einem Kardinal geleitet, aber seit dem Rücktritt von Kardinal Barbarin im März vakant. Der 69-jährige Erzbischof wurde letztes Jahr verurteilt, weil er den französischen Behörden einen pädophilen Priester nicht gemeldet hatte. Zwar ist das Urteil im Januar aufgehoben worden, doch das Vertrauen in die Kirchenleitung ging verloren und Papst Franziskus erlaubte ihm den Rücktritt.
Ihre Kandidatur, erklärte Anne Soupa, sei nicht durch diesen „Lyoner Kontext“ motiviert. Sie nennt tiefere Gründe: „Ich sehe, dass wir weiter machen wie bisher, man folgt denselben Handlungsmodellen“. Die Theologin kritisiert die Art und Weise der Bischofsernennungen als _“intellektuelle Trägheit“_ und weil der Papst _“uns dazu einlädt, ist es angebracht, den Leitungsdienst von der Ordination zu trennen“ sagt sie, „möchte ich das Bewusstsein wecken und schärfen“_.
Mit Fug und Recht Bischöfin – Seit 35 Jahren ist Anne Soupa in verschiedenen Rollen und Aufgaben in der Kirche engagiert, ihre Kompetenzen sind erwiesen und trotz zahlreicher interner Probleme sei sie _“nie in Versuchung gewesen, die Kirche zu verlassen“_. So sieht sie sich in allem _“berechtigt, zu sagen, dass ich in der Lage bin, mich um den Bischofstitel zu bewerben. Alles legitimiert mich, aber alles verbietet es mir auch.“Der hauptsächliche Grund für dieses Dilemma liegt darin, “weil ich eine Frau bin…“_. Mit ihrer Initiative, möchte sie _alle_ Katholiken anzusprechen, nur die Praktizierenden. Mit dem Nuntius, Erzbischof Celestino Migliore, würde sie sich _“mit Vergnügen“_ treffen und ihm ihre Kandidatur persönlich erklären, wenn nötig. _“Du hast wirklich Nerven, das zu tun“ sagt man mir! Aber dann frage ich nach und hoffe, dass sie sich am Ende sagen: ‚Eine Frau als Chefin einer Diözese, warum eigentlich nicht?“
Ein kleiner Stein im Schuh des Petrus – Von offizieller Seite der Erzdiözese wird darauf hingewiesen, dass die Ernennung des nächsten Erzbischofs ausschließlich vom Papst abhängt. Man betont gleichzeitig, den „symbolischen“ Charakter der Initiative von Madame Soupa, die Frauen in der Kirche zu fördern, nicht abzulehnen. Die Erzdiözese verweist auf Véronique Bouscayrol, die seit November 2018 im Finanzvorstand faktisch als „Nummer zwei“ fungiere. Trotzdem bleibt, dass die Frage nach der Ordination der Frau für die Kirche – das Volk Gottes unterwegs in Gottes Zukunft – wie ein kleiner Stein im Schuh wirkt: Man merkt ihn erst, wenn man sich bewegt!