Judas – Apostel, Verräter und Freund des Guten Hirten
Judas Iskariot ist eine beunruhigende Gestalt der Heilsgeschichte. Sein Schicksal an der Seite Jesu gibt stellt unser Denken und Glauben auf die Probe. „Judas“ provoziert Fragen, die ans „Eingemachte“ gehen. Das jüngste Buch von P. Christoph Wrembek SJ gibt gutes Geleit in schwierigem Glaubens-Gelände.
Natürlich ist es keine Biographie oder Lebensbeschreibung, die der Jesuitenpater vorlegt. Seriöse Schreib- und Denkarbeiter_innen sind so fasziniert vom Thema wie sie in der Sache gut informiert sind. Die Absicht des Autors mit seiner weiten und breiten Erfahrung als spiritueller Begleiter und ‚experitus’ ist eher, ein neues (auch: Glaubens-) Bewusstsein zu schaffen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger als den Verstand und die Vernunft zu gebrauchen, die Sinne zusammen zu nehmen und in der guten, alten, menschengemachten (unserer) Geschichte, die Spuren einer weiter- und tieferreichenden, ja Alles umfangenden und durchwaltenden Heils-Geschichte zu suchen und – zu finden.
Die Zugänge und Ansätze zum Verstehen der Bedeutung der Judas-Gestalt sind von Epoche zu Epoche verschieden. Das gnostische „Judas-Evangelium“ (2 Jhdt.) ist so ein Ansatz. Um 1970 sorgten die Textfragmente für Furore in der Öffentlichkeit, wodurch der dramatischen Geschichte des elend ums Leben gekommenen Mannes aus dem kleinen Dorf Iskariot (in der südlichen Wüstengegend Israels gelegen) immer wieder neues Leben einhaucht. Das Gespür aber, dass dieser von Kirchenvätern, Theologen seit frühester Zeit und bis in unsere Tage herauf extrem ausgegrenzte Typ, ein einzelgängerischer Verlorener, ein Gottverdammter par excellence, uns etwas „zu sagen“ hat, war immer auch präsent. Die Kunst- und Literaturgeschichte haben sich immer wieder dem Judas-Komplex gewidmet. Wie z. B. Walter Jens (1923 – 2013), Rhetorikprofessor in Tübingen, Schriftsteller erster Güte und evangelischer Christ. Sein Buch: „Der Fall Judas“, machte dem traditionellen, kirchlich-theologischen Judas- und Gottesbild den Prozess: „Ohne Judas kein Kreuz, ohne das Kreuz keine Erfüllung des Heilsplans. Keine Kirche ohne diesen Mann; keine Überlieferung ohne den Überlieferer“ – versuchte er zu retten, ins Glaubensbewusstsein herein, oder gar zurück zu holen, was ihm verloren schien.
Nicht Opfer, Barmherzigkeit. Man verrät nicht zu viel aus den spannend geschrieben, wohl durchdachten und lesenswerten rund 160 Seiten, wenn man sagt, dass P. Wrembeks Buch diesen Faden aufnimmt und ihn sehr konsequent weiterspinnt. Die entscheidende Inspiration findet für seine aufmerksame und feinsinnige „Umdenkarbeit“ findet der Autor in einem der wunderschönen Kapitelle in der Basilika auf dem Hügel von Vezelay im Burgund. Die 900 Jahre alte Darstellung zeigt den „Guten Hirten von Vezelay“; anstelle des Lammes, trägt der Hirte seinen Verräter, den Apostel Judas, den er so zu seinem Feund macht. Der Untertitel des Buches: „Du, der du Judas trägst nach Hause, trage auch mich“ ist Programm. Das steinern-stumme Zeugnis geht in geheimnisvoller Intimität zu Herzen, weckt den Geist auf und tröstet die unruhige Seele. Das ist ein Glück und dieses Buch auch!