Die 13. Auflage der Bregenzer Ökumenischen Gespräche thematisierte die unübersehbar wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Die aktuellen sozioökonomischen Verhältnisse haben im Licht der Bibel, der päpstlichen Enzyklika „Laudato si“ (LS) und der katholischen Soziallehre deutlich an Profil gewonnen. Die Frage nach Verantwortung und konkretem Handeln begleitete – quasi als adventliches Basso Continuo – die drei Abende.
Die wachsende Ungleichheit und die horrende, ungleiche Verteilung gesellschaftlichen Reichtums wird seit langem und zunehmend besorgter wahrgenommen. Die Bedrohung des sozialen Friedens ist allerorten ein Thema. Die Initiative der katholischen und evangelischen Gemeinde(n) in Bregenz reagiert sozusagen „in Echtzeit“. Darüber hinaus, so Herbert Pruner, der die Vorbereitungsarbeit koordiniert, „soll es nicht bei der Theorie bleiben, sondern konkretes Handeln in globaler Verantwortung steht – in einem noch zu entwickelnden Projekt – auch auf der Agenda.“
Den Armen zugeneigt. In einem sachlich ausgewogenen „biblischen Befund“ versammelte Sabine Gritzner-Stoffers (ev. Pfarrerin, Religionslehrerin) zahlreiche Hinweise aus der Thora, den Propheten bis hin zur Bergpredigt. Die Frage: „Wie passt das Kamel durchs Nadelöhr?“ (Lk 18) blieb ohne direkte Antwort. Doch die Bibel weiß: Gott neigt sich den Armen zu, will ohne Umschweife das „gute Leben für alle“. Und sie kennt die menschengemachten, real existierenden Hindernisse auf dem Weg dorthin. Das bekannte Jubeljahr, temporär wiederkehrende Schuldenerlässe u.a. zeigen das individuelle, soziale und (!) politische Mühen, Kämpfen, Streiten um rettenden Ausgleich und Abbau der gefährlichen Spannung zwischen krassem Reichtum und massiver Armut. Solche gut erkennbare Spuren führen indirekt zu tragfähigen Antworten.
Neuer Mensch. Daran arbeitete auf der Basis der Enzyklika „Laudatio si“ (LS) der Geistliche, Theologe und Sozialwissenschaftler Markus Schlagnitweit (Linz) höchst produktiv weiter. Er erwies sich als genauer Übersetzer und bedachtsam strukturierter Interpret des Textes von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015. Einseitig als „Umwelt-enzyklika“ apostrophiert, zeigt sie sich – aus der „Sorge um das gemeinsame Haus“ heraus geschrieben – als veritable Seh-, Entscheidungs- und HandlungsHILFE für – über die Katholizität hinaus – „alle, die guten Willens sind“ und sich darin verbunden wissen, dass „sich die Dinge ändern können (LS 13)“. Franziskus, der Papst, geht spirituell-politisch in die Spur seines Namenspatrons aus Assisi. Im Poverello (LS 10) sieht er die Lebens- und Glaubensweise eines „neuen Menschen“ (LS 118) skizziert, der sich abwendet vom dominant-zerstörerischen, weil „fehlgeleiteten Anthropozentrismus“.
Das ist nur eine der not-wendigen Übungen auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der Solidarität ein Hauptwort, soziale Gerechtigkeit ein Lebenselixier sowie schöpfungsgemäße Menschenwürde und Menschenrecht als Maß des „guten Lebens“ gelten. Wer dabei utopische Zwischentöne vernimmt, verhört sich gründlich. Der Papst ist Realist – und mit einem unerschütterlichen Vertrauen in Mensch und Schöpfung gesegnet.
Gefährdete Solidarität. Davon ist auch Dr.in Magdalena Holztrattner (Direktorin der KSÖ, Wien) „infiziert“. Ihr Vortrag zeigte – mit Daten, Fakten und Zahlen belegt – die Auswirkungen des sukzessiven Abbaus des österreichischen Sozialstaates: „Österarm – zu reich, um zu teilen.“ Im Spektrum von einer Reihe von (nach wie vor gültigen) beschämenden sozialpolitischen Entscheidungen ist der „soziale Kitt“ einer Gesellschaft, nämlich Solidarität, an den Rand gedrängt, gefährdet, absturzbedroht.
Jetzt. Umkehren, aufwachen, wachsam sein und bleiben – so die adventlich-prophetischen Hinweise, unvermeidlich in diesen Tagen. Sie kommen unisono aus der Bibel, der päpstlichen Enzyklika und der Soziallehre. Und die Zeichen der Zeit lassen erkennen, dass die „Zeit gekommen ist“ not-wendige Wege in Richtung einer neu zu gestaltenden, humanökologischen, schöpfungsgemäßen und menschenwürdigen Welt in Angriff zu nehmen.<